Technologie trifft Tradition: Die Brauerei Locher im digitalen Zeitalter

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Seit fünf Generationen braut die Familie Locher Appenzeller Bier. Mit über 40 Spezialitäten im Angebot ist der Familienbetrieb zur grössten unabhängigen Schweizer Brauerei geworden. Welche Rolle Digitalisierung in der Brauerei Locher spielt und was es für erfolgreiche Digitalisierungsprojekte braucht: Matthias Willi, Leiter Marketing, Projekte und IT, gibt uns Einblick. 

Matthias Willi, ist Quöllfrisch das beliebteste Bier der Schweiz? 

Zahlenmässig kann ich das nicht belegen, aber es ist so: Viele Schweizerinnen und Schweizer lieben Quöllfrisch. Es vermittelt Heimatgefühl. Traditionelles gepaart mit innovativen Rezepten, damit haben wir einen Nerv getroffen. 

In einer Brauerei steht das physische Produkt im Zentrum. Welche Rolle spielt die Digitalisierung? 

Unsere Kernkompetenz ist es, gutes Bier zu brauen. Digitalisierung ist nicht Hauptfokus unseres täglichen Tuns, aber unterstützt diese Ziele und sichert unsere Zukunft. Gerade in der Produktion möchten wir die Digitalisierung vorantreiben, da wird noch viel mit Papier gearbeitet.  

Welche Digitalisierungsprojekte haben Sie bei der Brauerei Locher umgesetzt? 

Ich habe die Zeiterfassung und das MyAbacus Portal eingeführt. Die vorherige Lösung war ein Papierkrieg, der Effizienzgewinn ist riesig.  

«Mit Abacus können wir repetitive Aufgaben automatisieren und uns um Dinge kümmern, die echten Mehrwert bringen.»

Matthias Willi, Leiter Marketing, Projekte und IT

Welche Chancen sehen Sie in der Digitalisierung? 

Viele fürchten, die Digitalisierung könnte Jobs vernichten. Diese Ansicht teile ich nicht. Vielmehr glaube ich, dass sie spannendere Jobs schafft. Mit Abacus können wir repetitive Aufgaben automatisieren und uns um Dinge kümmern, die echten Mehrwert bringen. Ich sehe das auch als Chance, sich als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren. Anspruchsgruppen haben Vertrauen in digitalisierte Unternehmen, sie sind zukunftsfähig. 

Welche Herausforderungen erwarten Sie mit der Digitalisierung? 

Als ich die Zeiterfassung digitalisiert habe, dachte ich, dass sich die Mitarbeitenden freuen, da sie nun jederzeit Zugriff auf die Informationen erhalten. Aber einige haben sich über das zusätzliche Login geärgert. Digitalisierung bedeutet auch Überzeugungsarbeit. Man muss allen Beteiligten die Vorteile aufzeigen.  

Eine weitere Herausforderung ist, bestehende Prozesse aufzubrechen. Prozesse wachsen mit der Firma und werden ausgeschmückt – bis nur noch Spezialisten sie verstehen. Man muss hinterfragen, ob man diese Prozesse abbildet oder auf bewährte Standardprozesse der Software umsteigt. Jede Individuallösung kann einem früher oder später «is Födle bisse». 

Welche Fähigkeiten werden Ihrer Meinung nach aufgrund der Digitalisierung immer wichtiger? 

Vernetztes Denken und die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen. Digitalisierung bedingt Innovation und Veränderung.

Apropos Innovation: Inwiefern sind technologische Entwicklungen, wie KI und Machine Learning, für Sie relevant? 

Da gibt es enormes Potenzial. Ein Beispiel: Schönes Wetter wirkt sich positiv auf den Bierkonsum aus. Doch wie viele Sonnentage am Stück braucht es, bis unser Absatz effektiv steigt? Die Stärke dieser Korrelation müssten wir messen können. Für die Produktionsplanung sind solche Vorhersagen spannend. 

Welche Digitalisierungsprojekte stehen in den kommenden Jahren an? 

Wir möchten die Rückverfolgbarkeit in der Produktion verbessern. Das Ziel ist es, sämtliche Zutaten einer Flasche zurückzuverfolgen: In welchem Silo gelagert wurde, welche Hefe drinsteckt und welcher Bauer den Hopfen lieferte. Ein Riesenprojekt, das nur dank der Digitalisierung möglich ist.  

Welche Tipps würden Sie anderen Unternehmen mit auf den Weg geben? 

Interne Überzeugungsarbeit leisten, bevor man umsetzt. Für den Erfolg von Digitalisierungsvorhaben ist das Commitment der Beteiligten entscheidend. Nicht alle treten Veränderungen mit Begeisterung entgegen. Das habe ich unterschätzt, weil ich von meiner Haltung auf andere geschlossen habe.  

Auch wichtig: Bedürfnisse abholen und Bestehendes hinterfragen. Komplizierte Prozesse nicht kompliziert digitalisieren, sondern neu aufgleisen – es ist die einmalige Chance für ganzheitliche Optimierung.  

Welches Bier müsste man Ihrer Meinung nach noch erfinden? 

Da sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt! In den USA experimentieren Craft-Brauereien mit Lebkuchen-Guetzli-Bier.Bier-Geschmäcke dürfen und sollen polarisieren. Vor kurzem hätte ich gesagt, das perfekte alkoholfreie Bier, das man als solches nicht mehr erkennt, muss noch erfunden werden. Mittlerweile haben wir aber ein alkoholfreies IPA, das geschmacklich absolut auf der Höhe ist. 

Über Brauerei Locher:

Seit 1886 und fünf Generationen braut die Familie Locher das Appenzeller Bier. Mittlerweile umfasst das preisgekrönte Bier-Sortiment über 40 verschiedene Spezialitäten. Quöllfrisches Wasser, Gerstenmalz, Hopfen und Hefe bilden die Grundlage unseres Schaffens. Die Säntis Malt-Destillerie produziert seit 1999 edle und mehrfach international ausgezeichnete Single Malt Whiskys. Ganz im Sinne der althergebrachten Kreislaufwirtschaft sind in den letzten drei Jahrzehnten weitere genussvolle Spezialitäten auf Basis der Nebenströme entwickelt worden. In der CréaCeto Essig-Fabrikatur entstehen feine Balsam-Bieressige. In den „brewbee-Spezialitäten“ erhalten Treber und weitere Nebenprodukte aus dem Brauprozess ein zweites Leben in der Form von genussvollen und nachhaltigen Lebensmitteln.

appenzellerbier.ch