«Die Art und Weise, wie wir arbeiten, wird sich verändern»

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Mit der DeepBox schafft die DeepCloud AG eine Plattform, über die Dokumente effizient ausgetauscht und automatisch mit dem ERP verarbeitet werden können. Kevin Forster, COO der DeepCloud AG, spricht im Interview nicht nur über den Effizienzgewinn dank DeepBox, sondern auch darüber, wie die Vision des digitalen Briefkastens mit neuen Produkten ergänzt und weiterentwickelt wurde.

Vor gut zwei Jahren wurde DeepCloud AG gegründet. Damals sprach man noch von einem «Digitalen Briefkasten» als Vision für einen effizienten Dokumentenaustausch. Wie kam es zu diesem innovativen Projekt?

Kevin Forster: Seit über drei Jahrzehnten entwickelt Abacus erfolgreich betriebswirtschaftliche Software mit Fokus auf ERP-Software. Die Anforderungen für eine autonome Buchhaltung und der Austausch mit langjährigen Kunden haben aufgezeigt, dass vor allem im Dokumentenaustausch mit den Kunden viel Potenzial steckt. Die Idee eines digitalen Briefkastens ist somit entstanden. Lukas Rudolf, Treuhänder bei der Confides AG, nennt es in seinem Interview den «entscheidenden Baustein in der ITKette», um Belege digital austauschen und direkt mit dem ERP verarbeiten zu können. Mit  dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) haben wir die Möglichkeit, den Prozess weiter zu vereinfachen und vor allem zu automatisieren.

Wie hat sich das Projekt seit diesem Anstoss entwickelt?

Mit DeepCloud AG haben wir ein neues Unternehmen gegründet, mit dem wir die Vision des «Digitalen Briefkastens» angingen. Nebst dem Teamaufbau lag unser Fokus im ersten Jahr hauptsächlich auf der Produktentwicklung. Während der DeepBox Beta-Phase im Sommer 2021 konnten wir mit einigen Treuhandunternehmen das Produkt testen und weiter optimieren. Dieser Austausch und die enge Zusammenarbeit mit den Kunden der Abacus ist für uns sehr wertvoll und schafft die Grundlage für ein Produkt, das im Markt erfolgreich eingesetzt werden kann. Im Herbst 2021 erfolgte dann die Lancierung von DeepBox, wodurch nun die «Document Sharing Platform» allen Kunden zur Verfügung steht. Seit der Lancierung von DeepBox haben wir weitere Produkte und Partnerschaften aufgebaut und zu einem eigentlichen Ökosystem weiterentwickelt. So können Kunden ganz nach Bedarf die Produkte und Dienstleistungen einsetzen und kombinieren.

Wie viele Treuhandunternehmen setzen DeepBox bereits ein?

Seit der Lancierung haben wir nun bereits 130 Treuhandunternehmen, die DeepBox einsetzen, um Dokumente effizienter mit ihren Kunden auszutauschen und automatisch zu verarbeiten.

Wie kann ein Unternehmen eine DeepBox aufsetzen und was sind die Voraussetzungen dafür?

DeepBox ist eine webbasierte Lösung, wodurch keine Installation benötigt wird. Als Unternehmen kann man sich auf app.deepbox.swiss registrieren und so eine DeepBox aufsetzen. In der DeepBox kann man dann weitere Mitarbeitende als Mitglieder einladen, so dass alle Zugriff auf die Dateien erhalten und effizient zusammenarbeiten können.

Wo siehst du die weiteren Vorteile von DeepBox?

Wir wollen einen einfachen, effizienten Dokumentenaustausch erreichen, indem wir DeepBox als zentrale Plattform einsetzen und die verschiedenen Personen bzw. Organisationen digital miteinander vernetzen. Über Schnittstellen zu anderen Systemen werden die Dokumente bzw. die Daten dann direkt automatisch verarbeitet. Ein Beispiel aus der Buchhaltung: Hier können alle Belege elektronisch mit den Kunden ausgetauscht und automatisch verarbeitet werden. Die Digitalisierung und Automatisierung dieser Prozesse führt zu einem deutlichen Effizienzgewinn. DeepBox verbindet einerseits verschiedene Parteien miteinander, andererseits hat man so einen einheitlichen Prozess und ein zentrales Ablagesystem, wo alle Dokumente und Daten einfach zugänglich sind.

«Die Art und Weise, wie wir arbeiten, wird sich verändern, aber die grössere Wirkung wird darin bestehen, menschliche Fähigkeiten zu ergänzen.»

Kevin Forster, COO DeepCloud AG

Du sprichst von einem Effizienzgewinn. Wie sieht ein klassischer Prozess aus, mit dem man diesen erreicht?

Als Unternehmen kann man pro Kunde innerhalb der DeepBox eine Box aufsetzen. Dadurch hat man für jeden Kunden einen eigenen Bereich, der auch direkt mit dem Kunden geteilt wird. Somit haben alle involvierten Parteien Zugriff. Über Mobile-Apps, die Desktop-App oder einfach über die Webapplikation (app.deepbox.swiss) kann der Kunde sehr einfach physische und digitale Dokumente scannen bzw. hochladen. In der Box werden Dokumenttyp und Metadaten automatisch analysiert und für eine direkte Verarbeitung erfasst. Die aufbereiteten Daten können nochmals geprüft  werden, bevor sie weiterverarbeitet und in der DeepBox am richtigen Ort abgelegt werden. Ein Dokument ist so innerhalb weniger Sekunden ohne jeglichen manuellen Aufwand direkt verarbeitet.

Ist DeepBox nur ein Produkt für Treuhandunternehmen oder kann es auch in anderen Bereichen eingesetzt werden?

DeepBox kann überall eingesetzt werden, wo Dokumente ausgetauscht, abgelegt oder verarbeitet werden müssen. Über die Verbindung zu Abacus DEEP oder Swiss21 können Dokumente einfach hochgeladen bzw. verarbeitet werden. DeepBox kann aber auch als sichere, in der Schweiz  gehostete «Document Sharing Plattform» ohne ERP-Anbindung kostenlos eingesetzt werden.

Gibt es neben Abacus und Swiss21 bereits weitere Schnittstellen zu DeepBox?

Wir haben auch eine Schnittstelle zu YAPEAL geschaffen, um Zahlungen direkt auslösen zu können. Aktuell diskutieren wir neue Möglichkeiten mit Organisationen aus anderen Bereichen wie zum Beispiel den Immobilienverwaltungen. Die Deep-Cloud-Produkte sind so angelegt, dass sie über sogenannte REST-APIs auch von anderen Softwareherstellern verwendet werden können. Dadurch können unsere Produkte elegant in Drittsystemen integriert werden.

Mit DeepO lassen sich auf der Basis von Künstlicher Intelligenz verschiedene Dokumenttypen und Metadaten automatisch erfassen und verarbeiten. Eine 100-prozentige Genauigkeit beim Auslesen der Daten ist in diesem Bereich aber schwierig zu erreichen. Wo stehen wir aktuell und was ist bei der automatischen Dokumentenverarbeitung noch geplant?

Unstrukturierte Informationen sind für ein System schwieriger zu erkennen und so aufzubereiten, dass sie sich automatisch korrekt verbuchen lassen. Es bleibt aber unser Ziel, das System fortlaufend zu verbessern und eine hohe Genauigkeit zu erreichen. Im deutschsprachigen Raum sind wir bereits bei einer sehr hohen Genauigkeit. DeepO haben wir aber auch so weiterentwickelt, dass man selber Felder definieren kann, die man auf einem Dokument erkannt haben möchte. So können sehr einfach eigene Logiken gebaut und Werte erfasst werden, die man für einen individuellen Prozess benötigt. Und in einem weiteren Schritt arbeiten wir an der Erkennung von Positionen in DeepO, damit beispielsweise auch Fakturapositionen mit unterschiedlichen Konten und Kostenstellen verbucht werden können.

Was sind die Herausforderungen bei der Einführung neuer Applikationen, die auf innovativen Technologien basieren?

Wir versuchen hier, mit einem intelligenten System manuelle Prozesse zu ersetzen und so die Kunden bei ihrer täglichen Arbeit zu unterstützen. Wir müssen somit das Verständnis vermitteln, dass Technologie nicht da ist, um den Menschen zu ersetzen. Die Art und Weise, wie wir arbeiten, wird sich verändern, aber die grössere Wirkung wird darin bestehen, menschliche Fähigkeiten zu ergänzen.

Bei Cloud-Lösungen kommt häufig die Frage nach der Sicherheit auf. Wie geht DeepCloud mit diesem Thema um?

Es ist wichtig, dass sich Unternehmen mit Themen wie Datenschutz und Cybersicherheit auseinandersetzen. Häufig ist die Einstellung gegenüber Cloud-Lösungen auf die Risiken fokussiert. Es geht hierbei jedoch nicht nur um die Auslagerung von Serverkapazität. Viel mehr ermöglicht die Cloud die Partizipation an technologischen Entwicklungen, wie beispielsweise KI, und ist somit sehr wichtig für die Digitalisierung der Unternehmen. Die DeepCloud ist ISO-27001-zertifiziert und verfolgt somit einen hohen Sicherheitsstandard mit regelmässigen Tests. Die Kommunikation über das  Internet erfolgt verschlüsselt und die Daten werden in verschiedenen Rechenzentren in der Schweiz gespeichert. Mit DeepID verfolgen wir zudem das Ziel, die Authentifizierung beim Login von DeepBox weiter zu verbessern. Cybersicherheit ist ein wichtiges Thema und als DeepCloud AG  beschäftigen wir uns täglich damit, um die Daten bestmöglich vor Cyberangriffen schützen zu können.

DeepCloud AG – Inkubator für digitale Innovationen

DeepCloud AG ist eine Tochtergesellschaft der Abacus Research AG und wurde im Jahr 2020 gegründet. Mit den lancierten Produkten DeepBox, DeepSign, DeepID, DeepPay, DeepO und DeepV verfolgt das Unternehmen das Ziel, Prozesse in den Bereichen Dokumentenmanagement, digitale Signaturen, Zahlungsverkehr und Business Intelligence zu digitalisieren und zu automatisieren. Diese unabhängigen Cloudlösungen sind alle im Abacus ERP integriert. Zusätzlich können sie mit Drittsystemen mittels REST-API-Schnittstellen verbunden werden. Das ISO-27001-zertifizierte Unternehmen beschäftigt bereits mehr als zehn Mitarbeitende und ist schweizweit in Wittenbach, Lugano und Biel vertreten.

Weitere Informationen zur DeepCloud AG unter www.deepcloud.swiss/de

Wie sieht die Weiterentwicklung von DeepBox aus?

Wir wollen in den kommenden Monaten auch das Verschicken von Dokumenten über DeepBox ermöglichen. So können Dokumente direkt über DeepBox empfangen und mit dem ERP verarbeitet werden. Dies bedeutet konkret, dass zum Beispiel Rechnungen oder Bestellungen direkt über DeepBox mit Kunden und Lieferanten ausgetauscht werden können. Zusätzlich haben die Kunden häufig nach einer Archivierungslösung innerhalb von DeepBox gefragt. Wir wollen in den kommenden Monaten die rechtlichen Anforderungen erfüllen, um eine Langzeit-Archivierung anbieten zu können.

Bei der DeepCloud AG dreht sich schon längst nicht mehr alles nur um DeepBox. Mit weiteren Produkten wie DeepV, DeepID oder DeepSign hat man innerhalb kürzester Zeit ein Ökosystem aufgebaut. Was sind die Überlegungen dahinter?

Wir haben in verschiedenen Bereichen Potenziale festgestellt und so weitere Produkte entwickelt. Wie bereits bei DeepBox verfolgen wir auch bei den neuen Produkten das Ziel einfacher, digitaler Prozesse, die zu einer Effizienzsteigerung führen.

Mit dem neusten Produkt DeepSign wird ein sicherer, digitaler Signaturservice angeboten. Wie kam es zu dieser Ergänzung für die DeepBox?

Wir haben festgestellt, dass die Abacus Kunden häufig einen sehr ineffizienten Signaturprozess haben. Das Unterzeichnen von Dokumenten über den klassischen Post-Weg oder per E-Mail ist häufig sehr lang, unübersichtlich, kostspielig und auch nicht immer sicher. In Kombination mit  DeepBox können wir wieder einen einfacheren Prozess ermöglichen, wo das Dokument zentral abgelegt und der Status der Signatur digital verfolgt werden kann. So haben wir uns entschieden, innerhalb von wenigen Monaten unseren eigenen Signaturservice aufzubauen, welcher auch gängige rechtliche Anforderungen erfüllt.

Wie kann DeepSign eingesetzt werden?

In DeepBox kann DeepSign aktiviert werden. Der Signaturprozess kann direkt gestartet werden, sobald ein Dokument hochgeladen wurde. Es stehen verschiedene rechtsgültige Signaturtypen zur Verfügung, die abhängig vom Dokument eingesetzt werden können. Für die fortgeschrittene und qualifizierte Unterschrift läuft die Prüfung der Identität derzeit über Swisscom. Mittelfristig werden wir unseren eigenen Identifikationsservice DeepID einsetzen, um auch hier wiederum den Prozess noch weiter optimieren zu können.

Kann DeepSign auch im Abacus eingesetzt werden?

Ja, wir haben DeepSign bereits in den verschiedenen Abacus Applikationen integriert. Der Prozess kann somit direkt in der Applikation gestartet werden und funktioniert out of the box. Die Verrechnung pro Signatur erfolgt dann wiederum über DeepBox.

Mit DeepV gibt es noch ein weiteres Produkt, das bereits erfolgreich von vielen Abacus Kunden eingesetzt wird. Was ist darunter zu verstehen?

DeepV ist ein Business Intelligence Tool, mit dem Daten aus der Abacus Software sehr einfach visualisiert werden können. Die erstellten Dashboards können dann in der DeepBox abgelegt oder über einen Link geteilt werden. So hat man die Möglichkeit, mit den Daten einfache Analysen zu
tätigen und Massnahmen abzuleiten.

DeepCloud hat sich in den vergangenen Monaten stetig weiterentwickelt und bietet nicht nur einen digitalen Briefkasten. Auf was dürfen wir uns als Nächstes noch freuen?

Mit DeepBox, DeepO, DeepV, DeepSign und DeepID haben wir innerhalb kürzester Zeit ein umfassendes Ökosystem aufgebaut. Wir werden in einem nächsten Schritt die Produkte erweitern und optimieren. DeepID werden wir als Identifikationslösung für Signaturen zertifizieren und dann bei DeepSign integrieren. Das Produkt beinhaltet aber noch weiteres Potenzial und wird in Zukunft auch als sicherer Authentifizierungsdienst beim Deep-Box-Login eingesetzt. Bei DeepSign hingegen arbeiten wir bereits mit einigen Partnern zusammen, um den Signaturservice in weiteren Drittsystemen integrieren zu können. Parallel dazu wird DeepSign als Produkt weiterentwickelt. In Zukunft wird es auch eine Seal-Option geben, wo die Informationen zu den Signaturen dezentral in der Blockchain gespeichert werden können. Es gibt somit noch sehr viel Potenzial und spannende Use Cases, die wir angehen möchten. Der Austausch mit den Kunden zeigt uns jeweils auf, welche Bedürfnisse am Markt vorhanden sind. Dieses Vorgehen hat bereits in der Vergangenheit zu einer effizienten und erfolgreichen Produktentwicklung geführt und ich freue mich auch in Zukunft auf die gute Zusammenarbeit.

Kevin Forster

Nach dem abgeschlossenen Wirtschaftsstudium an der Universität St. Gallen und verschiedenen Tätigkeiten in der Finanzbranche, arbeitete Kevin Forster als Senior Consultant bei einer renommierten Digital-Agentur. Die Leitung und Umsetzung digitaler Projekte und Weiterbildungen im Bereich Data Science in Barcelona führten ihn dann zur DeepCloud AG, wo er seit zwei Jahren tätig ist und anfangs Jahr die Funktion als COO übernommen hat.